Endeared, 2pf-2perc (2008-2009) – 9′ – [op.5]

 

 

 

Endeared, for 2pf and 2perc
Acanthes 2008
First Performance
Berlin Konzerthaus 21/09/2010

Eric Maestris »Endeared« (2008) – eine deutsche Erstaufführung – ist für die Ensemble-Besetzung geschrieben. Der englische Titel könnte etwa mit »lieb gewonnen« übersetzt werden. Er ist dem Gedicht »Ode to a Grecian Urn« (1819) des Romantikers John Keats entnommen. Darin wird eine griechische Vase oder Urne beschrie- ben, auf der Musikanten zu sehen sind. Der Dichter nennt hörbare Melodien schmeichelnd, doch die unhör- baren, die man auf der Vase gespielt werden sieht, sind süßer. Es sind also die Klänge der Imagination, die nur in der Vorstellung erklingen: »Heard melo- dies are sweet, but those unheard/Are sweeter; therefore, ye soft pipes, play on;/Not to the sensual ear, but, more endear’d,/Pipe to the spirit ditties of no tone […].« In diesem Gedicht geht es um die Vergänglichkeit – oder um deren Aufhebung. In den letzten Zeilen legt Keats dem lyrischen Subjekt die Worte in den Mund: »Beauty is truth, truth beauty, – that is all/Ye know on earth, and all ye need to know.« Schönheit ist Wahrheit und Wahrheit ist Schönheit. Dazu schreibt Maestri, ein Gegenstand sei nicht schön, weil er Regeln befolgt, sondern seine Schönheit lässt uns über a priori-Kategorien nachsin- nen, darüber wie er erscheint. Die Form, so Maestri weiter, entwickelt sich aus der Konfiguration der Anfangselemente und deren Beziehungen.

Das Stück beginnt mit einem leisen Akkord, der im mittleren Register zu einem Cluster verdichtet ist, dem 20 Sekunden nachgelauscht wird. Er scheint aus einer fernen Zeit zu kommen. Langsam entwickeln sich aus den inneren Schwebungen solcher Akkorde schnelle Tonrepetitionen und Figuren in Vibra- phon, Marimba und den Klavieren, schließlich auch Geräusche. Konstitutiv für die Komposition ist eine aufwärts schreitende chromatische – sogar viertel- tönige (in den Pedalpauken) – Skala im Bass, die den Trauergestus des ein Tetrachord abwärts schreitenden »passus duriusculus« der alten Musik gleich- sam umkehrt. Eine Art Epilog ist »Delirium temporis« übertitelt und besteht aus zwölf Gongschlägen, um die sich raschelnde Geräusche ranken. (Julia H. Schröder)